Buchvorstellung: Cornelie Kister, Knochenraub am Orinoko

dtv Reihe Tigerauge, München 2010

8.95€

 

Pedro ist ein blinder Passagier auf dem Schiff, mit dem der Berliner Naturforscher Alexander von Humboldt und der französische Botaniker Aimé Bonpland nach Südamerika reisen. Als Pedro entdeckt wird, zahlt Humboldt seine Schiffspassage und nimmt den Jungen mit auf die Forschungsreise zum Orinoko. Die Reise ist natürlich sehr gefährlich und bei einigen Abenteuern  ist es Pedro, der den beiden Forschern hilft, ihnen sogar das Leben rettet. Pedro bekommt sogar noch einen nur wenig älteren Gefährten, den afrikanischen Sklavenjungen Abasi.

… hier war der Sklaven­markt.

Mit zögerlichen Schritten ging Humboldt näher. Pedro blieb einen Schritt hinter ihm. Er fürchtete sich vor dem grausamen Sklavenhandel. Dann sah er sie: acht schwarze Jungen, an den Händen gefesselt. Es waren noch Kinder, mit traurigen, leeren Augen. Gespenstisch sah das aus. Was wohl mit ihnen pas­sieren würde?

Ihre Haut roch stark nach Kokosöl. Pedro be­obachtete, wie sich ein Sklave mit dem duftenden Öl einrieb, damit seine Haut glänzte und den Anschein erweckte, in ihr stecke ein vor Gesundheit und Muskelkraft strotzender Bursche. Die interessierten Käufer strichen durch die Reihen. Sie befühlten die Haut der Schwarzen, prüften die Armmuskeln und rissen ihre Münder auf, um den Zustand ihres Ge­bisses in Augenschein zu nehmen. »Achte auf gute Zähne«, hörte Pedro einen Käufer zum anderen sagen, »sie verraten Alter und Gesundheitszustand. Man muss den Negern immer ins Maul schauen, sonst drehen die Händler einem womöglich einen lahmen Gaul an.« Er lachte laut, in Pedros Ohren klang es böse und voller Hohn.

»Wie ein Stück Vieh, sie behandeln sie wie Tiere«, dachte er aufgebracht.

 Pedro blickte sich nach Hum­boldt um. Er entdeckte ihn am Ende der Sklaven­reihe und lief zu ihm. Humboldt hatte endlich Don Vicente gefunden und sprach eindringlich auf ihn ein. Doch staunte Pedro nicht schlecht, als er hörte, dass Humboldt nicht von Bonpland sprach, sondern sich fürchterlich über das aufregte, was sich hier vor seinen Augen abspielte.

»Sklaverei ist eine Schande und gehört verboten! Wie kann man es nur wagen, diese Menschen so zu behandeln?«, empörte er sich lauthals.

Einige Männer drehten sich erstaunt um, doch ihre Gesichter verrieten, dass sie nichts von dem ver­standen, was Humboldt sagte.

»Worüber regen Sie sich auf, Herr Baron? Die Afrikaner können sich glücklich schätzen, der Wildnis entkommen zu sein und als Sklaven unter Christen leben zu dürfen«, erwiderte Don Vicente de Emparän ungerührt. »Die Indianer kann man für die Arbeit auf den Zuckerrohrpflanzungen nicht einsetzen. Sie sind krankheitsanfällig und absolut nicht widerstandsfähig. Die Farbigen hier aus Afri­ka, die können arbeiten. Nun gut, ohne Peitsche geht's nicht, aber was glauben Sie, wie die amerika­nischen Kolonien ihren Handel in Gang bringen sollen, ohne Arbeitskräfte? Haben Sie sich darüber schon mal Gedanken gemacht?«

»Sie beuten menschliche Arbeitskraft aus.« Hum­boldt blickte Don Vicente de Emparän geradewegs ins Gesicht. »Hat irgendjemand diese Menschen gefragt, ob sie an Fußketten gefesselt in einem über­füllten Sklavenschiff den Atlantik überqueren wol­len, um sich hier zu Tode zu schuften?«

Der Statthalter öffnete empört den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne etwas geantwortet zu haben - wie ein Karpfen, der nach Luft schnappt.

Panikschreie ließen Pedro und Humboldt herum­wirbeln. Ein junger Sklave wurde herbeigeschleppt und zu beiden Seiten von starken Männern fest­gehalten. Sie trugen Peitschen an ihren Gürteln und sahen düster und bedrohlich aus. Einer der Männer riss den Sklavenjungen an den Haaren, damit er nicht in die Knie sank. Der andere legte ein ölgetränk­tes Papier auf den Oberarm des Jungen und wollte ihm gerade ein glühendes Brenneisen auf die Haut drücken, als Humboldt laut schreiend dazwischen­sprang.

Verdutzt ließ der Mann das heiße Eisen sinken. »Aufhören! Sofort aufhören!« Humboldt blickte sich hektisch nach Don Vicente um und rief. »Ich kaufe diesen Sklaven. Aber keine Brandmarkung, lassen Sie das sofort sein!«

Don Vicente trat auf Humboldt zu und sagte in spöttischem Tonfall: »Tut mir leid, der ist bereits verkauft und bekommt nun das Zeichen seines Be­sitzers.«

»Das ist mir egal. Ich zahle mehr!«, rief Humboldt.“ ( Seite 44 - 47)

 

 Mit einer Piroge, einem schmalen Boot mit Auslegern, fahren die Forscher den Orinoko hinauf. Krokodile und Piranhas, Unwetter und Jaguare sind alltägliche Gefahren. Wirklich brisant wird die Situation als Humboldt gegen den Protest aller Reisegefährten in eine Höhle eindringt, in der die Indianer ihre Toten bestatten. Er begeht aus seiner Forscherleidenschaft heraus eine Grabschändung und fällt fast der Rache der aufgebrachten Indianer zum Opfer. Zusammen mit Bonpland wird er gefangen und in ein Indianerdorf geschleppt. Pedro und Abasi aber befreien die beiden Forscher durch eine List. Die beiden Jungen verkleiden sich mit dunklen Decken, Abasi macht Lärm und in dem Durcheinander, als die Indianer vor dem vermeintlichen Ungeheuer fliehen, löst Pedro die Fesseln. Die Vier können mit ihrem Boot flüchten und bringen die geraubten Knochen in die heilige Höhle zurück.

 

Abgesehen von der spannenden Handlung bietet das Buch interessante Informationen über die Religion der Indianer z.B., über Sklavenhandel, über Dschungeltiere usw. in kleinen bebilderten Abschnitten. Diese Informationen könnten Kinder bewegen, sich über ein bestimmtes Thema weiter zu informieren – etwa im Internet.

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